Das Modul

Wundinfektionen nach chirurgischen Eingriffen – englisch: Surgical Site Infections (SSIs) – verlängern die Spitalaufenthaltsdauer und erhöhen die Sterblichkeit nach Operationen. Die epidemiologische Überwachung ist deshalb ein zentraler Bestandteil für die Vorbeugung, Kontrolle und Bekämpfung von SSIs.

Mehr als ein Viertel aller Healthcare-assoziierten Infektionen entfallen auf postoperative Wundinfektionen. Schätzungen zufolge erleiden in der Schweiz – je nach Operationsart – rund 1 bis über 20% der Patienten nach operativen Eingriffen eine solche Wundinfektion. SSIs verursachen längere Spitalaufenthalte, höhere Kosten und schlimmstenfalls Todesfälle. Patienten- und operationsabhängige Faktoren sind zwar mitentscheidend für das Auftreten von Wundinfektionen, dennoch lässt sich ein Teil davon verhindern. Unter den Präventionsmassnahmen nimmt die Überwachung (Surveillance) eine wichtige Rolle ein. In den letzten Jahrzehnten sind in Europa und in den USA nationale Surveillance-Systeme entstanden. In der Schweiz erfasst und überwacht Swissnoso seit 2009 im Auftrag des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken ANQ die Entwicklung postoperativer Wundinfektionen. Dies im Rahmen des nationalen Qualitätsvertrags des ANQ. Für alle Spitäler, die dem nationalen Qualitätsvertrag beigetreten sind, ist die Teilnahme obligatorisch. Die Überwachung erlaubt es den Spitälern, sich untereinander zu vergleichen.

Weshalb ist eine Surveillance notwendig?

In allen internationalen Empfehlungen gilt die Surveillance als wesentliches Strategieelement zur Bekämpfung von SSIs. Dank der regelmässigen Rückmeldung der Surveillance-Ergebnisse verfügen die Spitäler und Kliniken über nützliche Daten für die Qualitätskontrolle. Auf diese Weise lassen sich auch Unterschiede zwischen den Institutionen feststellen. Präventivmassnahmen können korrigiert oder verbessert werden.

Politisch gelten SSI-Surveillance-Programme zunehmend als Indikator für die Behandlungsqualität. Sie sind bei Gesundheitsbehörden, Patientenorganisationen und Versicherern anerkannt.

Was sind die Ziele des Moduls?

Das Modul dient der aktiven und prospektiven Überwachung von postoperativen Wundinfektionen. Damit verfügen Fachkräfte und Leistungserbringer über ein Instrument, das ein wichtiges Merkmal der chirurgischen Behandlungsqualität misst. Die Methodik ist international anerkannt. Gestützt auf die Rückmeldungen zu den erhobenen Daten sollen die Infektionsraten in der Schweiz durch die Anwendung geeigneter Massnahmen gesenkt werden.

Was umfasst das Modul?

Methode

Angewandt wird eine international anerkannte Methode, die auf den Grundsätzen des National Healthcare Safety Network NHSN beruht. Patientendaten, Angaben zu Eingriffen und Infektionen werden mit einem standardisierten Fragebogen erfasst und in eine Online-Datenbank eingegeben. Der klinische Verlauf während des Spitalaufenthalts und nach Spitalaustritt wird aktiv und systematisch mittels detailliertem Studium der medizinischen Unterlagen und einem standardisierten Telefoninterview verfolgt. Der Beobachtungszeitraum beträgt 30 Tage bei Operationen ohne, respektive 90 Tage bei Operationen mit Implantation von Fremdmaterial. Bei Infektionsverdacht aufgrund des Telefoninterviews und bei Rehospitalisation in einer anderen Einrichtung wird mit der behandelnden Ärztin bzw. dem Arzt Kontakt aufgenommen. Infektionsfälle werden systematisch mit einer unabhängigen, abteilungsfremden ärztlichen Supervisorin bzw. einem Supervisor besprochen. Die Infektionsdiagnose wird nach den internationalen CDC-Kriterien gestellt. Diese unterscheiden zwischen oberflächlichen oder tiefen Infektionen an der Stelle des Hautschnitts und Organ- oder Hohlrauminfektionen. Die Erfassungsbeauftragten lernen die Methode in der obligatorischen Schulung kennen. Im Teilnehmerhandbuch ist der Surveillance-Prozess erklärt. Es enthält auch Referenzdokumente.

Datenerfassung

Die Daten werden über die geschützte Swissnoso-Plattform eingegeben, die vom Swiss RDL – medical Registries and Data Linkage des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern gehostet wird. Swissnoso erteilt den Surveillance-Beauftragten die Zugangsberechtigung.

Erfasste chirurgische Eingriffe

Das Modul überwacht mehrere Operationsarten aus den Bereichen Viszeralchirurgie, Gynäkologie, Orthopädie, Herz- und Wirbelsäulenchirurgie. Die eingeschlossenen Eingriffe werden gemäss der Schweizerischen Operationsklassifikation CHOP Version 2017 definiert. Teilnehmende Spitäler und Kliniken verpflichten sich zur Überwachung von mindestens drei Eingriffsarten. Zu Beginn einer Erfassungsperiode von 12 Monaten kann die Einrichtung jeweils eine Änderung der überwachten Eingriffe beschliessen. Die Erfassung beginnt jeweils im Oktober und dauert bis September des nächsten Jahres.

Obligatorische Eingriffsarten

  • Aus dem Operationskatalog sind drei Arten von chirurgischen Eingriffen frei wählbar.
  • In Spitälern, die solche Eingriffe praktizieren, ist die Surveillance der Colonchirurgie obligatorisch.
  • Zusätzlich zu den drei gewählten Eingriffsarten ist die Erfassung von Appendektomien (Blinddarmentfernung) bei Jugendlichen und Kindern unter 16 Jahren vom ANQ  vorgeschrieben – ungeachtet des Typs oder des Auftrags einer Gesundheitseinrichtung.

Übermittlung der Ergebnisse

Swissnoso übermittelt die Ergebnisse periodisch. Dies in Form eines individuellen Berichts, der einen anonymisierten Vergleich mit anderen Spitälern und Kliniken erlaubt. Die vorgelegten Ergebnisse werden mittels eines Index bereinigt, der patientenspezifische Risikofaktoren berücksichtigt. Er wird angewandt, um die Auswirkung von Unterschieden im Case-Mix zu reduzieren. Im Bericht sind auch Hinweise zur Identifizierung von Verbesserungsansätzen enthalten. Jährlich im Februar können die Berichte – über einen passwortgeschützten Zugang – von der Swissnoso-Plattform heruntergeladen werden.

Jährliche Publikation

Zusätzlich zu den individuellen Berichten veröffentlicht Swissnoso im Auftrag des ANQ einen Nationalen Vergleichsbericht für die jeweilige Erfassungsperiode. Der ANQ publiziert die risikobereinigten Wundinfektionsraten transparent pro Spital/Klinik.

Zur Dateneingabe

Surveillance-Systeme im Ausland

OP-KISS Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System, Deutschland

PREZIES Holländisches Surveillance- Netzwerk von nosokomialen Infektionen

 

HAI-Net European network for the surveillance of healthcare-associated infections (HAI)

SPICMI Santé Publique France, RéPIA, mission SPICMI

CDC NHSN National Healthcare Safety Network, USA

Internationale Empfehlungen

CDC Guideline for Prevention of Surgical Site Infection, Centers for Disease Control and Prevention, 1999

SHEA Strategies to Prevent Surgical Site Infections in Acute Care Hospitals, 2014 Update

NICE Guideline for Surgical site infections: prevention and treatment, 2008, National Institute for Health and Care Excellence, Evidence Update 2013

IDSA Infectious Diseases of America (IDSA), 2008